Ein gut ausgebildeter Waldrand ist eine ökologisch bedeutsame Übergangszone von der offenen Landschaft zum geschlossenen Waldbestand. Der Waldrand kann je nach Standort und der jeweils angrenzenden Nutzung im Offenland sehr unterschiedlich strukturiert sein. Wenn der Waldrand sich ungestört entwickeln kann, dann baut er sich in drei Entwicklungsstufen auf. Die äußere Stufe zur Flur hin bildet der niedrige Gras-Kraut-Saum, der sich u. a. aus Johanniskraut, Odermennig, Schafgarbe, Taubenkropf-Leimkraut, Glockenblumen wie auch Brennnesseln und Klettenlabkraut zusammensetzt. Als zweite Stufe folgt die mittelhohe Strauchzone. Sie besteht überwiegend aus reichblühenden und beerentragenden Sträuchern wie Wildrosen, Schneeball, Weißdorn, Holunder und Schlehen. Die innere Stufe zum Hochwald bildet der hohe Waldmantel mit Licht- und Pionierbaumarten wie Vogelkirsche, Birke, Feldahorn, Esche aber auch mit Eiche und Bergahorn. Die Übergänge zwischen den Stufen sind fließend, hier läuft ein dynamischer Entwicklungsprozess ab, der vom Hochwald dominiert wird. Der Gras-Kraut-Saum und die Strauchzone wachsen dabei ständig weiter in die offene Landschaft hinein (natürliche Sukzession).
Stößt der Waldrand an einen Feldweg oder an regelmäßig bewirtschaftete Fläche an, so wird die vorrückende Sukzession aufgehalten. Der stufige Aufbau wird allmählich von den hochwachsenden Waldbäumen vollständig überwachsen. Die neuen Randbäume bilden einen tief hängenden, weit ausladenden Kronentrauf, so dass sich ein dichter geschlossener Waldrand entwickelt. Hier finden nur noch vereinzelt Sträucher oder ein beschatteter Grassaum unter dem Trauf Platz, der ökologische Wert des Waldrandes sinkt deutlich ab. Um dieses dynamische Vorrücken zu vermeiden und gleichzeitig die artenreiche Struktur zu erhalten, ist eine regelmäßige Pflege des Gras-Kraut-Saums durch Mahd bzw. der Strauchzone durch Auf-Stock-Setzen und des Waldmantels durch Auslichten erforderlich. Diese Pflegemaßnahmen sind auch aus ökologischer Sicht sinnvoll.
Die drei Stufen eines ausgeprägten Waldrandes bieten auf engem Raum unterschiedliche klimatische und ökologische Lebensverhältnisse. In dieser Übergangszone treffen die Tier- und Pflanzenarten des Offenlandes und des Waldes zusammen. Sie finden hier trotz unterschiedlicher Ansprüche an ihren Lebensraum die jeweils passenden Nischen. Aufgrund seiner ökologischen und strukturellen Vielfalt kann der Waldrand vielerlei Funktionen erfüllen. Hierzu gehören der Boden-, Wasser- und Windschutz, Sicherung der Biodiversität und die Aufwertung des Landschaftsbildes.
Ein gut strukturierter Waldrand bietet auch eine ideale Anknüpfungsfläche für den Biotopverbund im Offenland. An diesen Stellen ist es daher besonders wichtig, dass ein ausreichender Pufferstreifen zwischen Waldrand und bewirtschafteter Fläche angelegt wird, um einerseits gegenseitige Konkurrenz um Nährstoffe und Licht sowie andererseits um nachteilige Auswirkungen durch Dünge- und Pflanzenschutzmittel zu vermeiden. So kann insgesamt eine räumlich und ökologisch nachhaltige Verzahnung mit der offenen Landschaft geschaffen werden.
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